
Arbeitssicherheit am Bau – das ist Teamwork
Im Interview erzählt Ulrike Doppler aus ihrem spannenden Alltag als Sicherheitsfachkraft am Bau – und zeigt, wie viel Teamgeist, Verantwortung und Fingerspitzengefühl nötig sind, um jeden Tag für Sicherheit auf der Baustelle zu sorgen.
Ulrike Doppler ist Sicherheitsfachkraft in einem österreichischen Bauunternehmen. Fast zwanzig Jahre lang arbeitete die gebürtige Innviertlerin davor als Bauleiterin und kennt die Branche mit all ihren Herausforderungen. Im Gespräch erzählt sie vom Alltag als Sicherheitsfachkraft, den Gefahren, Veränderungen und persönlichen Erfolgsmomenten.
sichereswissen: Frau Doppler, Ihnen wurde die Leidenschaft für die Bauwirtschaft schon in die Wiege gelegt. Sie sammelten erste Erfahrungen im elterlichen Bauunternehmen und waren Projektleiterin in unterschiedlichen Bauunternehmen. Wie wichtig war dieser Weg, um jetzt als Sicherheitsfachkraft erfolgreich zu sein?
Doppler: In einem Familienbetrieb machst du alles, von der Akquise bis zur Abrechnung. Da gehören Planung und Bauleitung genauso dazu wie der Überblick über die Kosten. Und man ist sieben Tage die Woche, rund um die Uhr greifbar – das macht man gerne, wenn man lösungsorientiert denkt und sich als Dienstleister sieht. Ich habe mir damit, sowohl im elterlichen Betrieb als auch als Projektleiterin, ein enormes Wissen aneignen können, viel praktische Erfahrung gesammelt und auch Menschenkenntnis gewonnen. Diese fundierte Ausbildung hilft mir jetzt, um fachlich und persönlich auf Augenhöhe mit den Kollegen, Vorgesetzten oder externen Partnern zu kommunizieren.
sichereswissen: Sie waren lange als Bauleiterin tätig, auch bei Ihrem jetzigen Arbeitgeber (der Swietelsky AG), bevor Sie Sicherheitsfachkraft wurden. Was hat Sie zu diesem „Umstieg“ bewogen?
Doppler: Ich war immer schon gewohnt, aktiv zu gestalten, etwas zu bewegen. Gerade bei der Arbeitssicherheit gibt es immer Gestaltungsraum, um mitzuwirken und gemeinsam etwas zu verbessern. Da geht es nicht um die Interessen des einen oder anderen, sondern um die Gesundheit und Sicherheit aller. Also um ein Miteinander. Als durch die Pensionierung eines Kollegen die Stelle der Sicherheitsfachkraft frei wurde, war das der nächste logische Schritt für mich.

sichereswissen: Können Sie Ihren Arbeitsalltag beschreiben. Was sind die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Doppler: Jede Baustelle ist ein Unikat. Ich betreue an 22 Standorten in Oberösterreich unterschiedlichste Baustellen mit sich laufend ändernden Gefahren. Selbst wenn es Routineaufgaben und standardisierte Prozesse gibt, ist kein Tag wie der andere. Das macht den Job interessant und abwechslungsreich, gleichzeitig auch herausfordernd. Ich bin viel bei Begehungen auf Baustellen, versuche vor Ort möglichst vieles gleich direkt zu klären. Auch Anfragen der Kolleginnen oder Kollegen werden so rasch wie möglich beantwortet. Schließlich wartet niemand gerne, wenn er jetzt ein Problem hat. Wir Sicherheitsfachkräfte halten unterschiedlichste Schulungen und Unterweisungen ab und unterstützen bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Das ist aufgrund der unterschiedlichen Nationalitäten, Sprachen und kulturellen Hintergründen immer wieder spannend. Dazu kommt klassische Büroarbeit, für Protokolle, Audits, Unfallanalysen oder Statistiken, die Vorbereitung einer Schulung oder Aufbereitung von Unterlagen und Entscheidungsgrundlagen.
sichereswissen: Was sind die größten Gefahren auf der Baustelle, worauf legen Sie besonderes Augenmerk?
Doppler: Die Unfallzahlen im Unternehmen sinken seit Jahren kontinuierlich, auch jene der schweren Unfälle. Wir liegen damit unter dem Branchenschnitt und freuen uns, wenn wir Sicherheitsfachkräfte zu mehr Risikobewusstsein und der Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen beitragen können.
Unfälle passieren leider immer wieder, vor allem bei der Arbeit mit Maschinen oder Geräten oder wenn jemand stürzt beziehungsweise stolpert. Bei den Begehungen entwickelt man rasch einen Blick für potenzielle Gefahrenstellen, wie Gerüste und Leitern, Absturzsicherung oder Pölzung, und ob etwas optimiert werden kann. Wir schulen regelmäßig den sicheren Umgang mit Maschinen und motivieren Kolleginnen und Kollegen immer wieder, ihre persönliche Schutzausrüstung zu verwenden.

sichereswissen: Ihr Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich, Sie sind auf Baustellen und am Schreibtisch, Sie kommunizieren mit Vorgesetzten, Behörden und den Kollegen auf der Baustelle. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sind aus Ihrer Sicht für eine Sicherheitsfachkraft essenziell?
Doppler: Es braucht zum einen fachliches Wissen über Bauwesen und Arbeitssicherheit, technisches Verständnis und Baustellenerfahrung. Also eine Fachkompetenz, um ernst genommen zu werden. Zum anderen unternehmerische Eigenschaften wie Weitblick, Durchsetzungsvermögen und Vorbildwirkung, den Überblick behaltend, vorausschauend und selbstorganisiert. Ich sehe mich oft als serviceorientierte Unterstützerin im Hintergrund, die mit Empathie und manchmal auch Humor auf Probleme eingehen und Lösungen anbieten kann. Eine Umsetzung funktioniert dann, wenn Erfahrung, Ideen und Wissen aller im Team ernst genommen und gemeinsam gearbeitet wird.
sichereswissen: Sie meinen damit also auch soziale Kompetenz, die in der Männerwelt gut ankommt?
Doppler: (Lacht) Es macht für mich keinen Unterschied, ob Mann oder Frau. Arbeitssicherheit ist nicht vom Geschlecht abhängig, es geht um die Gefahren und wie wir diese vermeiden können. Aber natürlich kommuniziert man mit sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, vom Lehrling bis zum Vorstand. Grundvoraussetzung ist für mich die Wertschätzung für den anderen. Das Interesse an seiner Arbeit. Wichtig ist, dass man die Sinnhaftigkeit von Vorschriften und Notwendigkeit von Gesetzen erklärt. Schließlich gibt es Sicherheitsmaßnahmen nicht für mich, sondern für den persönlichen Schutz eines jeden Kollegen, einer jeden Kollegin. Manchmal überzeugen emotionalisierende Beispiele, die wirken nachhaltig(er).
Video: Interview mit Ulrike Doppler zur Arbeit einer Sicherheitsfachkraft am Bau.
sichereswissen: Sie haben vorhin auch von Weitblick gesprochen. Welchen Einfluss haben aus Ihrer Sicht aktuelle Entwicklungen, wie das Klima, gesellschaftlicher Wandel oder die Digitalisierung auf die Arbeitssicherheit in der Baubranche?
Doppler: Das betrifft uns genauso wie alle anderen auch. Die Digitalisierung erleichtert Abläufe und die Umsetzung von Projekten. Gleichzeitig muss immer alles schneller gehen und die Auseinandersetzung mit neuen Tools braucht auch Zeit. Da müssen wir, auch im Hinblick auf unsere mentale Gesundheit, noch die notwendige Balance finden. Wie beim Handy. Die ständige Erreichbarkeit erleichtert uns den Alltag, verursacht aber auch Stress und vor allem Ablenkung. Das sehe ich als eine wachsende Gefahr am Bau. Ebenso wie die Hitze und der damit verbundene zunehmende Steinschlag, insbesondere im Tunnel- und Tiefbau.
Ich beobachte auch einen gesellschaftlichen Wertewandel. Ich habe als Kind Erfahrungen machen dürfen und Eigenverantwortung gelernt, damit auch Bewusstsein für Risiko entwickelt. Das fehlt der jungen Generation heute oft. Motorische Fähigkeiten und das handwerkliche Geschick nehmen ab, Werte wie Ordnung oder Sauberkeit sind weniger ausgeprägt. Das sieht man oft daran, wie Jugendliche mit ihrer persönlichen Schutzausrüstung umgehen.
Ich bin allerdings zuversichtlich, dass – wenn wir diese Entwicklungen wahrnehmen und diskutieren – wir auch gemeinsam Lösungen finden und Maßnahmen setzen können.
Gerade bei der Arbeitssicherheit gibt es immer Gestaltungsraum, um mitzuwirken und gemeinsam etwas zu verbessern. Da geht es nicht um die Interessen des einen oder anderen, sondern um die Gesundheit und Sicherheit aller.
sichereswissen: Sie haben uns ein sehr buntes, breites Feld aufgezeigt. Was schätzen Sie besonders, was treibt Sie persönlich an?
Doppler: Ich mag die Abwechslung von interessanten Baustellen, Projekten mit sich ändernden Herausforderungen und den Kontakt zu unterschiedlichsten Menschen. Ich freue mich, wenn ich etwas bewirken kann und ein Ergebnis, eine Verbesserung sichtbar wird. Und ich schätze die flexible Arbeitseinteilung, damit ich auch schnell reagieren oder vor Ort sein kann. Dann freut mich positives Feedback der Kolleginnen und Kollegen, das Interesse und die Wertschätzung, die einem entgegengebracht werden. Oder auch ein einfaches Danke.
sichereswissen: Abschließend: Haben Sie einen guten Rat für Kolleginnen und Kollegen, was sollten Sicherheitsfachkräfte am Bau unbedingt wissen?
Doppler: Man muss Veränderung mögen. Jeder Tag ist anders, man ist viel unterwegs, meist gibt es keine Regelabläufe und man muss flexibel bleiben. Wenn Sie damit umgehen können, werden Sie Ihren Job mit Freude machen.
Über die Swietelsky AG
Die Swietelsky AG zählt zu den führenden Unternehmen der österreichischen Bauindustrie und beschäftigt rund 12.000 Mitarbeiter:innen in 21 Ländern in allen Bereichen des Bauwesens, wie Hoch- oder Tiefbau, Straßen- und Brückenbau, Bahnbau und Tunnelbau sowie verschiedenen Spezialkompetenzen. Am Standort Österreich sind zehn Sicherheitsfachkräfte tätig.
Bei Fragen zum Thema steht Ihnen das AUVA-Präventionsteam gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at