KI Generiertes Bild; Adobe Firefly – Bearbeitung © Auva/lwptm Erschöpft wirkender Bauarbeiter sitzt auf Baustelle und stützt Kopf in die Hand. Im Hintergrund sind andere Bauarbeiter zu sehen.

Psychische Gesundheit im Baugewerbe – ein Tabuthema?

Eine neue EU-weite Studie zeigt: Im Bauwesen gibt es vielfältige psychosoziale Risiken. Dieser Beitrag fasst zentrale Erkenntnisse der Studie zusammen und stellt wirksame Präventionsansätze auf betrieblicher und individueller Ebene vor.

19.09.2025
4 Minuten
Elisabeth Kierner
Schlagwörter: Bau


„Ich heiße Thomas, bin 42 Jahre alt und arbeite seit 25 Jahren am Bau. Früher war ich stolz auf meine Arbeit, die körperlich hart, aber ehrlich ist. Doch in den letzten Jahren wurde alles zu viel. Wir hatten ständig Zeitdruck. Termine wurden immer enger, Personal fehlte, und ich musste oft Überstunden machen und auch am Wochenende durcharbeiten. Pausen? Kaum. Ich war müde, gereizt, konnte nachts nicht mehr schlafen. Zuhause war ich nur noch erschöpft. Auch meine Familie litt darunter.

Auf der Baustelle sprach niemand über sowas. „Reiß dich zusammen“ war die Standardantwort. Ich wollte nicht als schwach gelten. Also machte ich weiter – bis ich eines Tages einfach nicht mehr konnte. Ich stand auf der Baustelle, zitterte, bekam keine Luft. Mein Hausarzt diagnostizierte Burnout. Ich war drei Monate krankgeschrieben. In der Reha lernte ich, wie wichtig Pausen, Grenzen und psychische Gesundheit sind. Heute arbeite ich wieder – aber nur Teilzeit. Ich habe gelernt, auf mich zu achten. Doch ich weiß: Viele meiner Kollegen stecken noch mittendrin. Und reden nicht darüber.“

Ich war nur noch erschöpft.
Thomas, 42, Bauarbeiter

Was Thomas als Bauarbeiter heute frei anspricht, betrifft europaweit eine ganze Branche mit 18 Millionen Menschen. Rund 46 Prozent der Beschäftigten in der Baubranche sind laut Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EU-OSHA) starkem Zeitdruck und Arbeitsüberlastung ausgesetzt und damit potenziell von psychischen Belastungen betroffen. 

Psychische Gesundheit im Bauwesen: Risiken und Lösungen

Eine EU-OSHA-Studie vom November 2024 zeigt branchenspezifische psychosoziale Risikofaktoren und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Arbeitenden auf. Ebenso den positiven Einfluss von Präventionsarbeit auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen.

Der Bausektor ist neben den alltäglichen Belastungen durch Schmutz, Staub, Lärm oder Vibrationen vor allem stark durch psychosoziale Risiken gefährdet. Ursachen sind unter anderem:

  • Hohe körperliche und psychische Belastungen 
  • Zeitdruck
  • Wechselnde Einsatzorte 
  • Mangelnde Unterstützung 
  • Schlechte Kommunikation und 
  • Eine „Macho“-geprägte Unternehmenskultur mit einem Männer-Anteil von 90 Prozent

Besonders gefährdet sind Migranten:Migrantinnen, Frauen, LGBTQ+-Personen, junge und geringqualifizierte Arbeitskräfte sowie Selbstständige.
Häufige Folgen sind Stress, Burnout, Depressionen, Substanzmissbrauch (z. B. Alkohol, Drogen, Medikamente) und sogar Suizid. Männer im Bauwesen haben ein dreifach höheres Suizidrisiko als der Durchschnitt. Auch wirtschaftliche Unsicherheiten, Digitalisierung und Klimawandel verschärfen die Lage.

In der Studie werden ganzheitliche Maßnahmen empfohlen, die sowohl individuelle Unterstützung (z. B. psychische Erste Hilfe) für Arbeitnehmer:innen als auch strukturelle Veränderungen (z. B. faire Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten, Inklusion) umfassen. Wichtig sind auch branchenspezifische Präventionsprogramme, Schulungen und die Einbindung psychosozialer Aspekte in Ausschreibungen und gesetzliche Vorgaben. So könne ein sicheres, unterstützendes Arbeitsumfeld geschaffen werden, das psychische Gesundheit fördert und die Attraktivität des Sektors langfristig stärkt.

 

Prävention auf betrieblicher und persönlicher Ebene 

Der Bauarbeiter Thomas hätte von seinem Arbeitgeber und seinen Kollegen:Kolleginnen also auf mehreren Ebenen Unterstützung gebraucht, um einem Burnout vorzubeugen. Arbeitspsychologen:Arbeitspsychologinnen empfehlen dahingehend eine Reihe von präventiven Maßnahmen, die sowohl auf individueller als auch auf betrieblicher Ebene ansetzen. 

1. Organisations­bezogene Maßnahmen

  • Arbeitsgestaltung verbessern: Reduktion von Zeitdruck, realistische Zielvorgaben, klare Rollenverteilungen und regelmäßige Pausen
  • Führungskräfte schulen: Sensibilisierung für psychosoziale Risiken, Förderung eines unterstützenden Führungsstils und aktives Ansprechen psychischer Belastungen
  • Kommunikation stärken: Offene Gesprächskultur, regelmäßige Teammeetings, Feedbackrunden und Maßnahmen gegen Sprachbarrieren
  • Inklusion fördern: Schutz vor Diskriminierung, geschlechtersensible Ausstattung (z. B. PSA für Frauen), Unterstützung für Migranten und LGBTQ+-Personen
  • Sicherheit und Stabilität schaffen: Faire Verträge, pünktliche Bezahlung, transparente Projektplanung und Einbindung psychosozialer Kriterien in Ausschreibungen

 

2. Individuelle Unterstützung für Arbeitneh­mer:innen

  • Mental-Health-Trainings: Schulungen zur Stressbewältigung, Resilienzförderung und Umgang mit psychischen Belastungen
  • Psychologische Ersthelfer:innen: Ausbildung von Mitarbeitenden, die bei psychischen Krisen erste Ansprechpersonen sind
  • Niedrigschwellige Angebote: Zugang zu Beratungsstellen, anonyme Hilfeangebote, Rückkehrgespräche nach psychischen Erkrankungen

Zudem können die Kollegen:Kolleginnen wertvolle Unterstützung bieten, indem sie achtsam sind, Veränderungen im Verhalten der Mitarbeiter:innen (z. B. Rückzug, Gereiztheit) offen ansprechen, wertfrei zuhören und grundsätzlich Interesse zeigen. Oder indem sie Solidarität untereinander leben, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam auch Grenzen setzen – etwa, wenn es um gesunde Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeitszeiten, Arbeitsweisen) fürs Team geht.

Die Studie

Eine Zusammenfassung sowie die umfangreiche Studie „Psychische Gesundheit im Bausektor: Prävention und Management psychosozialer Risiken am Arbeitsplatz“ der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann hier (Mental health in the construction sector: preventing and managing psychosocial risks in the workplace | Safety and health at work EU-OSHA) heruntergeladen werden:

Bei Fragen zum Thema steht Ihnen das AUVA-Präventionsteam gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at

Quelle: https://osha.europa.eu/de/publications/summary-mental-health-construction-sector-preventing-and-managing-psychosocial-risks-workplace (14/11/2024). 

Dieser Blog-Beitrag wurde mit Unterstützung von ChatGPT erstellt.