Kues1/Freepik.Com Ironisch grinsender Mann in Business-Kleidung deutet "Daumen hoch"

Anleitung zum Arbeitsausfall: So werden Ihre Mitarbeitenden sicher krank

Sie möchten sicherstellen, dass unliebsame Mitarbeiter:innen in absehbarer Zeit nicht mehr zur Arbeit erscheinen? Befolgen Sie unsere ironische Anleitung und setzen Sie auf die besten ergonomischen Fauxpas!

21.07.2025
7 Minuten
Marlene Cordas-Pernjak
Schlagwörter: Ergonomie

Ergonomie ist mehr als ein schöner Begriff – es ist der Schlüssel zu gesunden und produktiven Mitarbeitenden, die dem Unternehmen langfristig erhalten bleiben. Aber ganz ehrlich, wollen Sie das? Ständig dieselben Gesichter und Probleme? Wenn Sie darauf abzielen, die ein oder andere Person loszuwerden und langfristige Krankheitsfälle erzeugen möchten, ist es ganz einfach: Vernachlässigen Sie ergonomische Standards, schaffen Sie Bedingungen, die körperliche Belastungen fördern, mehr noch, lassen Sie Ihre Mitarbeitenden regelmäßig unter extremen Umständen arbeiten, es gibt viele "Optionen". Denken Sie an repetitives Arbeiten, körperliche Zwangshaltungen, Lärm und all die anderen wenig rühmlichen Ergonomie-Fehltritte. Lassen Sie sich inspirieren von dieser Anleitung, die Ihnen zeigt, wie Sie alles richtig machen – wenn es darum geht, die Gesundheit Ihrer Belegschaft zu ruinieren. 

1. Pausen sind Zeitverschwen­dung – erhöhen Sie den Druck!

Warum sollten Ihre Mitarbeitenden Pausen machen, wenn sie auch durcharbeiten könnten? Wandeln Sie Pausenräume einfach in Besprechungszonen um – ideal, um gleich neue Aufgaben zu verteilen. Treffen Sie Mitarbeitende während der Mittagspause zufällig in der Küche? Hervorragend! Nutzen Sie den Moment, um „kurz“ ein wichtiges Thema zu besprechen oder gleich eine neue To-do-Liste zu überreichen. Die Kunst liegt darin, immer noch ein kleines Projekt in petto zu haben – so halten Sie Erholung wirkungsvoll fern. Denken Sie daran: Wer sich nie erholt, fällt früher aus – Ziel erreicht.

Insgeheim wissen Sie es …

Regelmäßige Pausen sind essenziell für Erholung, Konzentration und langfristige Leistungsfähigkeit. Sie dienen der physischen wie psychischen Entlastung – besonders bei körperlich fordernden oder stark repetitiven Tätigkeiten. Maßnahmen wie Job Rotation (Wechsel der Aufgabenbereiche), Job Enlargement (Arbeitserweiterung) und Job Enrichment (Arbeitsbereicherung) können zusätzlich helfen, Monotonie und Überlastung zu vermeiden. Pausen sind nicht nur gesund, sondern gesetzlich geregelt: Laut § 66 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) müssen Arbeitnehmer:innen bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause erhalten. 

2. Zeigen Sie Haltung und bleiben Sie dabei!

Überlegen Sie genau: Wie können Sie einen Arbeitsplatz gestalten, um physiologisch möglichst ungünstige Haltungen zu erzwingen? Ihre Mitarbeitenden sollten stundenlang in einer Position verharren, Ausgleichsbewegungen müssen auf ein Minimum reduziert werden. Wenn Sie beispielsweise in der Handwerksbranche tätig sind, gelingt es sehr gut, indem Sie zu ausschließlich knienden Tätigkeiten animieren oder Sie ausgewählte Mitarbeiter:innen dauerhaft über Kopf arbeiten lassen. Nichts kommt damit so verlässlich wie Verspannungen und langfristige Schmerzen. Schöner Nebeneffekt: für spontane Arbeitsunfälle durch Überlastung ist gleichzeitig vorgesorgt.

Was Sie wirklich tun sollten, ist …

Statische Körperhaltungen führen zu einer einseitigen Belastung der Muskulatur und des Skelettsystems, was zu chronischen Rücken-, Nacken- und Schulterbeschwerden führen kann. Besonders in Handwerksberufen wie bei Fliesenlegern:Fliesenlegerinnen oder Malern:Malerinnen sind wiederholte Tätigkeiten in Zwangshaltungen problematisch. Der Arbeitsbereich sollte so gestaltet werden, dass sich Mitarbeitende nicht länger als nötig in unnatürlichen Positionen aufhalten müssen. Regulierbare Arbeitsflächen, ergonomische Hilfsmittel und regelmäßige Pausen sind hier unerlässlich.

3. Drehen Sie auf – je lauter, desto besser!

Ein bisschen Lärm ist doch kein Problem, oder? Diesen Faktor sollten Sie sich genauer ansehen, denn richtig eingesetzt erreichen Sie damit gleich eine Vielzahl an Mitarbeitenden. Störender Lärm kann in nahezu allen Branchen eingesetzt werden: Machen Sie sich auf die Suche nach allen möglichen Lärmquellen und halten Sie Lärmpegel dauerhaft auf höchstem Niveau, beispielsweise durch eine räumliche Zusammenführung mehrerer Arbeitsbereiche unter dem Motto „soziales Miteinander“. Damit erhöhen Sie Stress und verringern die Konzentration. Um Auswirkungen von gehörgefährdendem Lärm zu erzielen, vergessen Sie Grenzwerte und angepassten Gehörschutz – ein schlecht sitzendes Modell für die gesamte Belegschaft muss reichen.

Ernsthaft betrachtet …

Lärm kann nicht nur störend, sondern auch gesundheitsschädlich sein (siehe Blog-Beitrag "Gesundheit in Gefahr: Wie Lärm am Arbeitsplatz schadet"). Besonders bei gehörgefährdendem Lärm (z. B. durch Maschinen oder Baustellenlärm) sind geeignete Schutzmaßnahmen notwendig. Grenzwerte für Lärm, Auslöse- und Expositionsgrenzwerte sind in der Verordnung für Lärm und Vibrationen (VOLV) geregelt. In offenen Büros kann schon "gewöhnlicher" Lärm die Konzentration beeinträchtigen und zu mentaler Erschöpfung führen. Hier sind raumakustische Maßnahmen, wie schalldämmende Wände und Decken, oder abgetrennte Ruhebereiche sinnvoll, um die Auswirkungen von Lärm zu reduzieren.

4. Gönnen Sie Ihren Lieblingen wiederkehrende Arbeiten!

Ob am Fließband in der Produktion, bei Kassiertätigkeiten im Supermarkt oder der Küchenarbeit in der Gastronomie: Gleichförmige Arbeitsabläufe mit oftmaligen Wiederholungen eignen sich perfekt dazu, Krankmacher zu erzeugen. Alles, was Sie tun müssen, ist darauf zu achten, dass dieselben monotonen Arbeiten durchgehend von denselben Personen durchgeführt werden. Ihre Argumentation klingt schlüssig: „Sie sind dafür einfach der:die Beste!“ Ihre Mitarbeitenden werden es lieben, den ganzen Tag dasselbe zu tun. Und Sie wissen: je kleiner der Handlungs- (und Bewegungs-) Spielraum, umso besser. Verlassen Sie sich darauf: es entstehen garantiert Schmerzsyndrome, die unweigerlich zum gewünschten Ausfall führen. 

Tatsächlich sollten Sie jedoch …

Unter sogenannte repetitive Tätigkeiten fallen wiederkehrende manuelle Arbeitsprozesse mit einer Lastenmanipulation von Lasten unter 3 kg, wie es beispielsweise beim Pipettieren der Fall ist. Nicht erkannt führen diese Tätigkeiten häufig zu sogenannten Überlastungserkrankungen, wie z. B. dem Karpaltunnelsyndrom, Sehnenscheidenentzündungen oder chronischen Schulterschmerzen. Ein sinnvoller Maßnahmenplan, der ergonomisch gestaltete Arbeitsmittel sowie organisatorische Tools wie Job-Rotation und Pausenplanung wie auch individuelle Beratung beinhaltet, ist entscheidend, um der monotonen Belastung entgegenzuwirken.

5. Suchen Sie James Bond – keine Abschirmung, keine PSA!

Ist es nicht extrem spannend, in einem Arbeitsumfeld mit hoher Strahlenbelastung zu arbeiten? Lassen Sie Ihren Mitarbeitenden diesen Nervenkitzel und bleiben Sie in Ihrer Intention zum Personalabbau unbemerkt: Die ständige Nähe zu elektromagnetischen Feldern, insbesondere in Bereichen mit starken elektrischen Geräten oder Maschinen, sorgt für langfristige, aber sehr schleichende Schäden. Machen Sie sich keine Sorgen um Schutzvorrichtungen oder Abschirmungen. Die Mitarbeitenden werden sicher nichts bemerken, bis die Schäden irgendwann irreversible Folgen haben.

In Wahrheit müssen Sie handeln …

Elektromagnetische Strahlung kann langfristige gesundheitliche Auswirkungen haben, darunter fallen Risiken für Krebs oder chronische Krankheiten. Besonders in Arbeitsumfeldern wie IT-Räumen, Laboren oder bei der Nutzung von Hochfrequenzgeräten sind Schutzmaßnahmen unerlässlich. Das Einhalten von Grenzwerten für die Strahlenexposition sowie die Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), wie z. B. speziell abgeschirmte Kleidung oder Geräte, sind gesetzlich vorgeschrieben. Eine unsachgemäße Handhabung von Strahlungsquellen ohne adäquate Schutzvorkehrungen erhöht das Risiko für die Mitarbeitenden erheblich.

6. Lassen Sie die Muskeln spielen!

Sie bieten Arbeitsplätze an, bei welchen regelmäßig Lasten über 3 kg bewegt werden? Perfekt – nutzen Sie das leichte Spiel: Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden schwere Lasten ohne jede Unterstützung heben. Wer braucht schon einen Rollwagen oder ein Hebesystem, wenn man die Muskeln der Mitarbeitenden so richtig auf die Probe stellen kann? Falls die Arbeitenden rebellieren: Bieten Sie irgendeine Alibi-Schulung zu „gesundem Rücken“ an und haken Sie Ihre Verantwortung damit endgültig ab. Nicht angewandtes Wissen bringt in der Praxis natürlich nichts – die gewünschten Probleme im Bewegungsapparat wie auch Folgen aufgrund erhöhter Herz-Kreislauf-Belastungen sind vorprogrammiert, Sie brauchen nicht allzu lange auf erste Ausfälle warten. 

Im Grunde ist es klar …

Bei der Manipulation von Lasten, die zumindest 3 kg haben oder schwerer sind, kann es sich um Gegenstände, Personen oder Tiere handeln. Ausschließlich manuell gehandhabt erhöht schweres Heben, Halten und Tragen das Risiko für Schmerzsyndrome und Muskel-Skelett-Erkrankungen. Abgestimmt auf eine exakte Evaluierung der Belastungen umfassen gute ergonomische Lösungen Hebe- und Tragemechanismen, die das manuelle Heben minimieren und den Mitarbeitenden erlauben, mit sicheren Techniken und Hilfsmitteln zu arbeiten.

7. Genießen Sie die heiße Arbeits­atmosphäre!

Warum auf Klimaanlagen setzen, wenn Sie Ihre Mitarbeitenden doch in den Genuss einer „natürlichen Sauna“ bringen können? Lassen Sie die Temperaturen ruhig steigen – je heißer, desto besser. Wenn Sie mehrere Arbeitnehmer:innen in den Krankenstand schicken wollen, ignorieren Sie insbesondere technische und organisatorische Maßnahmen bei Hitzearbeitsplätzen wie Gießereien, Schmieden und Baustellen mit hohen Temperaturen. Halten Sie sich stets vor Augen: Hitze ist der perfekte Stressfaktor. Und die Gesundheit? Ein kleiner Preis für Effizienz.

Eigentlich wissen Sie es besser …

Hitzebelastung am Arbeitsplatz ist nicht nur unangenehm, sondern kann auch zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. Sie entsteht durch eine Kombination aus hoher Umgebungstemperatur, körperlicher Anstrengung, isolierender Bekleidung und einer langen Expositionszeit. Das Ergebnis ist eine Erhöhung der Körpertemperatur, die zu Kreislaufproblemen, Dehydrierung oder sogar Hitzschlägen führen kann. Der richtige Umgang mit Hitzebelastung erfordert eine Kombination aus technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen. 

Fazit

Wenn Sie wirklich alles dafür tun möchten, Ihre Mitarbeitenden krank zu machen, folgen Sie einfach dieser "Anleitung". Sollten Sie es sich anders überlegen und langfristig gesunde und zufriedene Mitarbeitende haben wollen, setzen Sie jedoch auf ergonomische Gestaltung, Prävention und ein gesundes Arbeitsumfeld. Denn die beste Investition in Ihr Unternehmen – rechnerisch und moralisch – ist jene in die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden.

Weitere Infos

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Bei Fragen zum Thema steht Ihnen das AUVA-Präventionsteam gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter sichereswissen@auva.at